Warum hilft es meinem Nervensystem, wenn ich beide Gehirnhälften miteinander verbinde?
- Eva Istas
- 13. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Kennst du das auch?
Du stehst im Flur, ein Kind schreit, das andere braucht gerade ganz dringend genau jetzt Hilfe bei den Socken, das Baby wacht auf und dein Partner fragt aus dem Nebenzimmer, ob du kurz kommen kannst.
Du spürst:
Irgendwas in dir zieht sich zusammen. Die Gedanken rasen, der Atem wird flacher, und du merkst – du bist gar nicht mehr richtig bei dir.
Oder im Auto: Eins deiner Kinder hat zum vierten Mal das Spielzeug fallen lassen, das andere quengelt, weil ihm langweilig ist, und die Frage „Wie lange dauert's noch?“ prasselt alle zwei Minuten auf dich ein.
Oder auch: Die Kinder streiten sich schon wieder, in dir ist dieser Vulkan... du spürst, wie er brodelt und du spürst, wie deine Geduld plötzlich auf Reserve läuft.
Willkommen im Familien-"Wahnsinn"
Und genau hier, in diesen Momenten, spielt es eine riesige Rolle, wie gut unsere beiden Gehirnhälften miteinander verbunden sind. Was das genau bedeutet – und wie du das ganz praktisch im Alltag - auch mit deinen Kindern - üben kannst – schauen wir uns jetzt mal ganz genau an.
Freu dich auf viele praktische Tipps und Wissenswertes, so dass du es direkt ausprobieren kannst.
Was passiert eigentlich im Gehirn, wenn wir gestresst sind?
Um zu verstehen, warum das Vernetzen der Gehirnhälften so nützlich ist, hilft ein kurzer Ausflug in die Neurobiologie – versprochen: verständlich erklärt - und ich räume mit zwei Mythen auf, die du vielleicht bislang auch noch glaubtest.
Das Modell des dreigliedrigen Gehirns
Unser Gehirn lässt sich – stark vereinfacht – in drei Hauptbereiche unterteilen. Dieses sogenannte "Triune Brain Model" wurde in den 1960er-Jahren vom amerikanischen Neurowissenschaftler Paul D. MacLean entwickelt. Es wird bis heute in Psychologie, Pädagogik und Traumatherapie verwendet, um emotionale Reaktionen greifbar zu machen.
1. Stammhirn (Reptiliengehirn):Hier sitzt unser Überlebensmodus. Es steuert grundlegende Körperfunktionen wie Atmung, Puls, Flucht-, Kampf- oder Erstarrungsreaktionen.→ In akuten Stressmomenten übernimmt häufig dieser Teil blitzschnell die Kontrolle.
2. Limbisches System (Säugetiergehirn):Hier wohnen unsere Emotionen, Bindungsmuster und Erinnerungen.→ Wenn dein Kind schreit – oder dich etwas emotional triggert – springt das limbische System sofort an.
3. Neokortex (Menschengehirn):Das ist unser „denkender“ Teil. Hier verarbeiten wir Sprache, treffen rationale Entscheidungen, planen – und regulieren Impulse.→ In einem ruhigen Zustand hilft er uns, reflektiert und lösungsorientiert zu handeln.
!!! Wichtig zu wissen:
Das Modell ist didaktisch sehr hilfreich, aber aus neurowissenschaftlicher Sicht nicht mehr ganz aktuell. Denn:
Die drei Bereiche sind nicht strikt voneinander getrennt.
Sie arbeiten eng vernetzt, und ihre Funktionen überlappen sich teilweise.
Auch die evolutionäre Reihenfolge lässt sich nicht so klar abgrenzen, wie es das Modell suggeriert.
Trotzdem bleibt es ein hilfreiches Erklärmodell, um psychologische und emotionale Reaktionen zu verstehen – vor allem in therapeutischen oder pädagogischen Kontexten.
Und jetzt das Entscheidende:
Unter Stress wird die Verbindung zwischen dem emotionalen Gehirn (limbisches System) und dem denkenden Gehirn (Neokortex) geschwächt.
Das bedeutet:
Wir können nicht mehr gut überlegen,
handeln impulsiv,
oder finden keine kreativen Lösungen mehr – auch wenn wir es eigentlich könnten.
Deshalb ist es so wichtig, Wege zu finden, das Gehirn wieder in Verbindung zu bringen – zum Beispiel durch körperorientierte Übungen, Rhythmus, Sprache, Berührung oder Atem.Sie helfen dabei, den Neokortex wieder „online“ zu holen – und damit Zugang zu Klarheit, Steuerungsfähigkeit und Mitgefühl zu schaffen.
Es fühlt sich dann manchmal echt an, als ginge es um Leben und Tod.
Wir funktionieren wie Roboter – oder flippen - aus - oder fühlen uns wie erstarrt oder, oder, oder...
Und: Die linke und rechte Gehirnhälfte, die unterschiedliche Aufgaben haben, kommunizieren weniger gut miteinander.
Linke & rechte Gehirnhälfte – warum ihr Zusammenspiel so wichtig ist
Die beiden Seiten unseres Gehirns haben – ganz grob und vereinfacht gesagt – unterschiedliche "Spezialgebiete". Aber: Sie arbeiten nicht so getrennt, wie man lange Zeit dachte. Dazu gleich mehr.
Die häufig genannte Einteilung:
Linke Gehirnhälfte: Logik, Sprache, Reihenfolge, Zeitgefühl, AnalyseRechte Gehirnhälfte: Kreativität, Bilder, Emotionen, Raumgefühl, Intuition
Das bekannte Modell, dass die linke und rechte Gehirnhälfte für unterschiedliche Aufgaben zuständig sind – etwa rational vs. emotional oder logisch vs. kreativ – geht auf den amerikanischen Neurowissenschaftler Roger W. Sperry zurück. Für seine Forschung erhielt er 1981 den Nobelpreis, gemeinsam mit David H. Hubel und Torsten N. Wiesel.
Ursprünge des Modells:
Sperry und sein Kollege Michael Gazzaniga untersuchten sogenannte Split-Brain-Patienten, bei denen die Verbindung zwischen den Hemisphären (das Corpus Callosum) chirurgisch durchtrennt worden war – meist zur Behandlung schwerer Epilepsie.
Dabei zeigte sich: Bestimmte Funktionen wie Sprache waren eher in der linken Hemisphäre, während räumliches Denken und Bilderkennung eher in der rechten Hemisphäre verarbeitet wurden.
Die vereinfachte populäre Version:
Linke Gehirnhälfte | Rechte Gehirnhälfte |
Logik | Emotion |
Sprache | Kreativität |
Analyse | Intuition |
Linear | Ganzheitlich |
Diese Darstellung ist eingängig – aber stark vereinfacht.
Was wir heute wissen:
Beide Gehirnhälften arbeiten eng zusammen, auch bei Aufgaben, die man lange nur einer Seite zugeordnet hat.
Es gibt funktionale Spezialisierungen, aber keine starre Trennung.
Beispiel: Sprache ist meist links dominant – aber Tonfall, Ironie oder nonverbale Signale werden oft rechts verarbeitet.
Emotionen und Logik sind keine Gegensätze – sie wirken oft gemeinsam, zum Beispiel bei Entscheidungen.
Warum das Zusammenspiel so wichtig ist:
In Stresssituationen übernimmt oft eine Seite dominanter das Kommando:
Entweder wir rutschen in die rechte Gehirnhälfte – überwältigt von Emotionen, Bildern, Intuition.
Oder wir kompensieren mit der linken Seite – analytisch, kontrollierend, oft abgespalten von Körper und Gefühl.
Das Ziel ist Integration: Ein gutes Miteinander beider Seiten.So entsteht ein Zustand, in dem wir reguliert, präsent, lösungsfähig und zugewandt bleiben – selbst in herausfordernden Momenten.
Und genau hier setzen viele körperorientierte Übungen an:
Ob Schmetterlingsumarmung, Überkreuzbewegungen, Klatsch- oder Bewegungsspiele, oder einfach achtsames Beobachten – sie fördern die Kommunikation zwischen linker und rechter Gehirnhälfte.
Und damit auch: die Regulation unseres Nervensystems.
Und jetzt wird’s praktisch: Kreative Ideen für den Alltag
Hier kommt ein bunter Blumenstrauß an kreativen, schnell umsetzbaren Ideen, wie du und deine Kinder beide Gehirnhälften verbinden, euch dadurch regulieren und wieder mehr "miteinander" statt "gegeneinander" spüren könnt.
Im Auto:
„Seht ihr rechts das rote Haus?“ – Alle Köpfe drehen sich nach rechts.
Dann: „Was glaubt ihr: Wohnen da eher ältere Menschen oder eine Familie so wie wir drin?“
Dann: „Und guckt mal links – ist das da vorne das Geschäft, in dem wir neulich die Kekse gekauft haben?“
➡️ Durch das Hin-und-Herschauen und das Nachdenken werden beide Gehirnhälften aktiviert. Es entsteht Orientierung, Struktur, Verbindung – ohne viel Aufwand.
Zuhause:
👋 Klatschspiele! Klassiker aus deiner Kindheit – hochwirksam.
„Bei Müllers hats gebrannt, brannt, brannt…“
"coole Version" - gemeinsam entwickelt im "Checker-Style" ;)
immer länger werdende Reihenfolge wie bei "ich packe meinen Koffer"
mit kleinen Kindern/Babies: Wir halten die Hände oder Füßchen und führen die Kinder dadurch durch die einzelnen Bewegungen
Lerne von deinem Kind, welche Klatschspiele es von der Schule oder in der Kita kennt
...
💡 Geh richtig rein in den "Spielmodus" - Je lustiger, desto besser.
🖍️ Symmetrisches Zeichnen: Mit beiden Händen gleichzeitig ein Bild malen – z. B. ein Herz, eine Spirale oder ein Mandala.
➡️ Geht auch mit dem Finger im Sand, auf einem Tablett mit Mehl oder mit Wasser auf der Terrasse.
👣 Bewegungs-Challenge: „Schaffst du es, den Becher mit der linken Hand zu tragen und dabei nur auf dieser Fliesenfuge zu balancieren?“
➡️ Fördert nicht nur Koordination und Konzentration, sondern bringt auch Spaß – und schafft Verbindung.
✋ Rückenkunst: Zeichne deinem Kind etwas auf den Rücken – mal links, mal rechts, mal symmetrisch. Vielleicht ein Haus? Ein Herz? Ein Wort?
➡️ Achtsame Berührung + Gehirnhälftenaktivierung + Spiel = Regulation pur
Und das Beste?
Wenn du solche Übungen regelmäßig in deinen Alltag einwebst, dann:
stärkst du dein eigenes Nervensystem,
wirst du zum Vorbild für deine Kinder (auch wenn du mal „nicht perfekt“ bist),
und du wirst spüren: Du kannst Einfluss darauf nehmen, wie es dir und euch geht.
Auch in herausfordernden Gesprächen mit deinem Partner.
Auch wenn es tobt und kracht.
Auch wenn dein Nervensystem 'sagt': Ich mag nicht mehr.
Was das alles mit dir zu tun hat
Wenn wir erst einmal verstanden haben, wie unser Nervensystem gestrickt ist – und wie wir es im Alltag mit unseren Kindern, in Beziehungen, bei Reizüberflutung & Co. regulieren können – dann entsteht etwas ganz Besonderes:
✨ Sicherheit✨ Verbindung✨ Verspieltheit✨ Handlungsspielraum✨ Lebensfreude
Und plötzlich wird aus dem Alltag mit Knobelnüssen ein kleines Übungsfeld für innere Stärke.

Neugierig geworden?
Dann melde dich gern bei mir für ein kostenloses Infogespräch – und wir schauen gemeinsam, wie ich dich und deine Familie ganz konkret bei euren aktuellen Knobelnüssen unterstützen kann.
Ich freu mich sehr auf dich.
Her mit dem schönen Leben!
Deine Eva
*Heilpädagogische Praxis für Traumaintegration und Potenzialentfaltung*


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